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AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN
DER ERWERBSARBEIT UND DES ARBEITSMARKTES IN DEUTSCHLAND

Die Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) im Kreis Neuwied stellt sich mit diesem Positionspapier den Herausforderungen und Problemen der Erwerbsarbeit und des Arbeitsmarktes in Deutschland und in unserer Region. Sie will mit ihrer Analyse, ihren Ideen und Lösungsvorschlägen einen Beitrag leisten für die laufenden Programmdiskussionen in CDA und CDU. Dabei ist sie davon überzeugt, dass wir einer kritischen Bestandsaufnahme ebensowenig ausweichen dürfen wie grundlegenden Reformvorschlägen, da sich das gesellschaftliche Fundament Deutschlands und des deutschen Sozialmodells in akuter Gefahr befinden. Lange werden wir nicht mehr von unserer Substanz und auf Kosten der kommenden Generationen leben können. Das wäre weder christlich noch sozial und verletzt bereits jetzt die Interessen und das Gerechtigkeitsempfinden der erwerbstätigen Bevölkerung. Wir müssen gegensteuern und in einem ersten Schritt verhindern, dass alles noch viel schlimmer kommt.


Unser Papier versucht einen Gesamtansatz, konzentriert sich aber zugleich auf die nachfolgenden fünf Positionen und Handlungsfelder.


1. Die Gesellschaft benötigt einen Konsens über die verbindliche und verbindende Bedeutung der Erwerbsarbeit. Sie dient nicht nur den individuellen Bedürfnissen. Die Gesellschaft als Ganzes ist darauf angewiesen, dass jeder Einzelne sich mit seinen Fähigkeiten verbindlich einbringt. Fast vier Millionen Erwerbsfähige, die Transferleistungen erhalten, kann sich Deutschland nicht länger erlauben. Sie gefährden den sozialen Zusammenhalt durch Belastung derer, die arbeiten, und durch die Entbehrung notwendiger Dienstleistungen, die verlässlich angeboten werden müssen.


2. Verwerfungen in der Arbeitswelt müssen grundlegend neu angegangen werden. Das fängt damit an, die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Förderung zu nutzen, damit jeder eine faire Chance auf Berufsbildung und Teilnahme am Arbeitsmarkt erhält. 2,5 Millionen junge Menschen ohne qualifizierten Schulabschluss halten wir für einen Skandal und eine erhebliche Belastung der Zukunftsfähigkeit unseres Landes.


3. Gezieltes Fördern, Leistungsbezug und die Bekämpfung der Schwarzarbeit müssen zusammengedacht werden. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass sich Millionen der Annahme sozialversicherter Stellen entziehen und sich viele davon durch Schwarzarbeit im Vergleich zu denen besserstellen, die bereit sind, auch schwere oder schwierige, teils schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen. Immer weniger müssen immer mehr arbeiten, etwa im Pflege- oder Krankenhausbereich, zulasten ihrer Gesundheit und ihrer Lebensqualität. Dem muss gegengesteuert werden.


4. Zuwanderung aus dem Nicht-EU-Ausland in den Arbeitsmarkt darf es nur gezielt und mit guter Vorbereitung geben. Dabei verdienen im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe die Unternehmen die Chance zu einer eigenverantwortlichen Anwerbung. Gezielte staatliche Programme sollten dies für den Arbeitskräftebedarf kleinerer Unternehmen und für die Bereiche Pflege und Handwerk ergänzen.


5. Es bedarf besonderer Anreize zur Förderung von Erwerbsarbeit in ländlichen Regionen. Dazu halten wir es für wichtig, dass die Bildung von Eigentum an Häusern und Wohnungen besonders gefördert wird. Ihre Erreichbarkeit für leistungsbereite Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer halten wir für ein Gebot sozialer Gerechtigkeit und der Erfüllung des Aufstiegsversprechens, das bereits zu lange vernachlässigt wird. Gleichzeitig sehen wir die Eigentumsbildung in ländlichen Regionen als Voraussetzung an für ein funktionierendes Leben vor Ort und die Erhaltung lokaler Strukturen und Lebensqualität.



Position 1: Die Gesellschaft benötigt einen Konsens über die verbindliche und verbindende Bedeutung der Erwerbsarbeit.


Wir wehren uns gegen die Abwertung der Erwerbsarbeit und die einseitige Betonung einer individuellen Sicht auf sie. Es ist gut, wenn Arbeit der individuellen Entfaltung von Fähigkeiten dient; das soll sie bei so vielen Menschen wie möglich. Aber sie ist nicht nur eine Lust, sondern auch eine Last oder, anders ausgedrückt: Sie dient nicht nur der einzelnen Person, ihrer Entfaltung und ihrem Verdienst, sondern auch der Gesellschaft als Ganzes. Sie ist nicht nur Recht, sondern auch Verpflichtung.


Jede Gesellschaft, besonders unsere alternde Gesellschaft, ist auf Arbeitsteilung und Zusammenarbeit angewiesen. Arbeit ermöglicht dem Menschen in besonderer Weise die Entfaltung seiner persönlichen Fähigkeiten und seine soziale Teilhabe im Zusammenwirken mit Kollegen, Kunden und Geschäftspartnern. Sie gibt ihm die Möglichkeit, für sich selbst und seine Nächsten zu sorgen und zum Gelingen der Gesellschaft als Ganzes beizutragen. Genau dies ist die Brücke zum Verständnis ihres verbindlichen Charakters. Die CDA hält sie für eine moralische Pflicht jedes erwerbsfähigen Erwachsenen. Nur von erwerbsfähigen Personen sprechen wir in diesem Papier. Aus der moralischen Verpflichtung sich selbst und dem Ganzen gegenüber müssen aber auch rechtliche Folgen für diejenigen resultieren, die sich der Erwerbsarbeit ohne guten Grund entziehen. Damit meinen wir nicht nur erwerbsfähige Empfänger von Transferleistungen, sondern auch solche, die es sich aufgrund von Erbschaften und Vermögenserträgen leisten können, einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nicht nachzugehen und damit den verbindenden und verbindlichen Rahmen verlassen, den diese für die Gesellschaft besitzt.


Spätestens, wenn Kinder nicht mehr erzogen und angemessen ausgebildet oder ihnen keine Chancengleichheit in der Schule geboten wird, wenn die Verwaltungen nicht mehr zu zeitnahem und hilfreichem Handeln in der Lage sind und wenn Alte und Kranke nicht mehr versorgt werden können, wird klar, dass wir neben Familienarbeit und Ehrenamt einen gut geregelten und auch fordernden Erwerbssektor benötigen, um innere und äußere Sicherheit, die Grundversorgung von Lebensmitteln bis zu Energie, Ausbildung und Hilfe bei Krankheit und Alter sicherzustellen. Niemand möchte im Ernstfall auf rein private und freiwillige Hilfe angewiesen sein. Wir müssen ehrlich sehen, dass diese weder im persönlichen noch im allgemeinen Notfall, wie etwa bei Naturkatastrophen oder einer Pandemie, ausreicht. Wir brauchen regulierte und zuverlässige Angebote öffentlicher und privater Dienstleistungen, auf die im Sozialstaat grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht und für die es in der Privatwirtschaft -etwa bei ärztlicher Versorgung und der Bereitstellung von Lebensmitteln und Gastronomie in der Fläche- eine Realisierungsmöglichkeit geben sollte. Wir werden diese Ansprüche ohne rechtsverbindlichen Rahmen und einen Mentalitätswandel hin zu einem verbindlichen Begriff von der seit einer Reihe von Jahren schlecht geredeten und durch die Duldung voraussetzungsloser Transferleistungen moralisch untergrabenen Erwerbsarbeit nicht sicherstellen können. Konsequent lehnen wir deswegen auch jegliche Formen eines bedingungslosen Grundeinkommens ab. Auf der Grundlage rein freiwilliger Erwerbsarbeit lässt sich unsere Gesellschaft in den jetzt angebrochenen Zeiten, in denen der demografische Wandel durchschlägt, nicht organisieren und keine gemeinsame Zukunft gestalten. 3,91 Millionen (Statistischen Bundesamt, April 2023) erwerbsfähige Bürgergeldempfänger (neben 1,57 Millionen nicht erwerbsfähigen) sind zu viele und nicht länger zu verkraften – weder finanziell noch im Blick auf die nichtgetane Arbeit.


Aber auch denjenigen, die keine Ersatzleistungen beziehen und es sich erlauben können, keiner Erwerbsarbeit nachzugehen, sagen wir: Wenn ihr weiter von denen profitieren wollt, die diese Arbeit durchführen, wenn ihr wollt, dass Polizei und Feuerwehr zu Euch kommen und der Staat Euch seine Dienstleistungen, die er durch erwerbstätige Menschen verrichtet, zukommen lassen soll, dann findet einen Weg, Euch verbindlich einzubringen. Es reicht nicht, (gegebenenfalls?) Steuern zu zahlen und die für alle geltenden Preise in Anspruch zu nehmen; ohne einen persönlichen Einsatz und das Einbringen individueller Fähigkeiten wird unsere Gesellschaft nicht mehr funktionieren. Eine Regelung über individuell höhere Preise bei wohlhabenden Nichterwerbstätigen bei der Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen wollen wir aber gerade nicht; sie würde unsere Gesellschaft nur noch mehr spalten. Wir wollen zusammenführen. Arbeit soll verbindlich sein und verbinden.


Wir von der CDA werden immer für gute Bedingungen der Erwerbsarbeit -Lohn, Arbeitszeit, Arbeitssicherheit- kämpfen. Aber nicht nur das, wir kämpfen für ein Recht auf gute Arbeit durch faire Startchancen mittels einer guten vorschulischen Bildung, insbesondere beim Erlernen der deutschen Sprache, für eine Schulbildung, die dem einzelnen Kind gerecht wird, für ein Ausbildungs- und ein Hochschulsystem, das individuelle Förderung mit den Erfordernissen von Gesellschaft und Wirtschaft vereinbart und den Rahmen für zukunftsfähige Innovationen schafft, die die Gesellschaft benötigt. Mit anderen Worten: Wir kämpfen für reale Chancen eines jeden Einzelnen auf gute Arbeit, die seiner Person gerecht wird oder zumindest gerecht werden kann. Aber so wie alle großen Dinge im Leben zwei Seiten haben, so wird eine rein individuelle Sicht der Situation in Deutschland nicht mehr gerecht. Keiner wird widersprechen, dass selbst das Familienleben nicht nur aus schönen, leichten Seiten besteht, sondern mit der Gründung einer Familie für ihre Mitglieder auch rechtliche, finanzielle und erst recht moralische Ansprüche einhergehen. Erst recht gilt das für unsere höchst arbeitsteilige Gesellschaft. Erwerbsarbeit ist verbindend; sie muss auch verbindlich sein.



Position 2: Verwerfungen in der Arbeitswelt müssen grundlegend neu angegangen werden.


Das Bundesinstitut für Berufsbildung meldete im April 2023 mehr als 2,5 Millionen Menschen in Deutschland im Alter zwischen 20 und 34 Jahren ohne Berufsabschluss. Der Anteil der Ungelernten stieg auf 17% in ihrer Altersgruppe. Während die Arbeitslosenquote in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2022 bei 5,3% lag, waren es bei den Menschen ohne Berufsausbildung fast 20%. Von den 20- bis 34-Jährigen, die nicht in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, hat knapp ein Fünftel keine Ausbildung. Bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund gilt das für jeden Zehnten. Gegen diesen in Zeiten des Fachkräftemangels und von „Arbeiterlosigkeit“ unglaublichen Missstand sollen nunmehr bundesweit Jugendberufsagenturen helfen, was wir ausdrücklich begrüßen, auch wenn die Initiative der Bundesagentur für Arbeit sehr spät kommt. Damit sie nicht erfolglos bleibt, braucht sie gesellschaftliche, politische und, wo nötig, auch gesetzgeberische Unterstützung. So beklagte die Präsidentin der Bundesagentur, Andrea Nahles, vor kurzem in einem Interview, über das das Handelsblatt berichtete: „Wir verlieren wegen ungeklärter Datenschutzfragen jährlich bis zu 130.000 junge Leute, bei denen dann später Streetworker mühsam versuchen, wieder mit ihnen in Kontakt zu treten.“

Wir halten es für unerträglich, wie sich unser Land immer wieder selbst blockiert. Die Chance auf Förderung und gute Arbeit darf nicht am Datenschutz und anderen bürokratischen Hindernissen scheitern. Wenn derselbe junge Mensch in die Räder der Sozialverwaltung gerät, wird er bis zum letzten Kontoauszug alle seine Daten offenlegen müssen: Kann es ernsthaft sein, dass es nicht zulässig ist, an ihn und seine Eltern heranzutreten, damit es gar nicht erst so weit kommt?


Die Chance auf Förderung, gegebenenfalls intensive Förderung, und gute Arbeit ist das Angebot der Gesellschaft an die jungen Menschen, die diese Chance natürlich verdient haben, dessen Annahme die Gesellschaft aber auch braucht. Was ist die Alternative? Dass diese Menschen, obwohl sie gesund und erwerbsfähig sind, eine „Sozialkarriere“ in den Transfersystemen machen? Dass sie wegen des verpassten Starts mutlos werden, sich aufgeben und sich aus Gesellschaft und politischer Teilhabe dauerhaft zurückziehen? Dass sie sich von den Nischen der Schwarzarbeit verlocken lassen, obwohl jede Menge sozialversicherungspflichtiger Stellen zur Verfügung stehen? Das darf nicht unser Anspruch sein! Umgekehrt muss von den jungen Menschen mehr verlangt werden als Freiwilligkeit. Denn mit welchem Recht können sie von denen, die ihren Berufsabschluss machen und für sich und ihre Familie sorgen, verlangen, sie dauerhaft zu finanzieren? Dieses Recht gibt es nicht. Wir müssen daher bei voll erwerbsfähigen Personen einen Mechanismus finden, der den Bezug von Transferleistungen an das vorherige Einzahlen in das Sozialsystem knüpft. In Zeiten von Vollbeschäftigung und Mangel an Fach- wie auch an Hilfskräften ist alles andere nicht mehr vertretbar. Wir Christlich Demokratische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen tragen einen dauerhaft selbstverantworteten Rückzug aus der Erwerbsarbeit nicht mit; wir halten ihn für asozial. Er führt nur dazu, dass immer Weniger immer mehr tun müssen und durch die hohe Arbeitsbelastung vielleicht sogar erkranken oder sonst eigene Lebensqualität einbüßen. Und wie bereits gesagt: Unsere alternde Gesellschaft kann sich diese privaten Rückzüge im Interesse ihres gesamten Funktionierens und gerade der wahren Hilfsbedürftigen nicht leisten.


Allerdings konstatieren wir auch Probleme in der gelebten Arbeitswelt. Es gibt hier in erheblichem Maße einen stillen Rückzug aus verantwortungsvoller Erwerbsarbeit, das sogenannte „Quiet Quitting“. Der Begriff beschreibt eine Mentalität des Dienstes nach Vorschrift, des Tuns nur des Notwendigen, um den eigenen Arbeitsplatz nicht zu gefährden, aber ohne Rücksicht auf das Unternehmen oder die staatlichen Einrichtungen als Arbeitgeber und auf diejenigen, die auf ihre Dienstleistungen angewiesen sind. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig und liegen oft an unfairen und ineffizienten Strukturen in Unternehmen und Verwaltungen. Als Interessenvertreter von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nehmen wir diese Probleme ernst, aber auch ihre Auswirkungen auf unseren Sozialstaat. Es geht uns nicht um eine Ausweitung der Arbeit nach Stunden oder eine weitere Arbeitsverdichtung. Wir sehen jedoch, dass es positive Alternativen gibt, vorbildliche Gesellschaften etwa in Nordeuropa, in denen sich ein ausgeprägtes Gespür für den Ausgleich von Privat- und Arbeitsleben mit einem Sinn für die Notwendigkeiten in Familie, Gemeinde und am Arbeitsplatz und der Gesellschaft als Ganzes verbindet. Diese Haltung kommt dort allen zugute. Was können wir, beginnend mit ihrem vorbildlichen Schulsystem, von diesen Ländern lernen? Damit sollten wir uns intensiv befassen. Die Bundesagentur für Arbeit und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg sollten hier Ideengeber und Umsetzungspartner für Betroffene, Unternehmen und Verwaltungen sein und ihre Schwerpunkte entsprechend ausrichten.


Dem Umstand, dass die geburtenstarken Jahrgänge bis 1965 jetzt und demnächst in Rente gehen, müssen wir besondere Aufmerksamkeit widmen. Es gilt, gute Lösungen zu bieten für einen sinnvollen und sinnerfüllten Übergang bis zum Eintritt der Rente und auch darüber hinaus.

Wir sind davon überzeugt, dass ab dem 55. Lebensjahr nicht nur die Weichen für die letzten 12 Jahre der Erwerbsarbeit gut und durch Fort- und Weiterbildung zum Teil auch ganz neu zu stellen sind, sondern auch für die Weitergabe des beruflichen Wissens- und Erfahrungsschatzes.

Das ist eine anspruchsvolle gesamtgesellschaftliche, aber auch gesellschafts- relevante Aufgabe. Vielleicht brauchen wir nicht nur Jugend- sondern auch Altersarbeitsagenturen, jedenfalls Institutionen der Arbeitsagentur, die diesen Übergang ins Rentenleben unterstützen und begleiten. Für alle, die sich über den Eintritt ins Rentenalter hinaus für die Weitergabe von Wissen und die Ausbildung junger Leute engagieren, sollte es besondere steuerliche Freibeträge geben. Der Staat kann hier kaum großzügig genug sein, denn es fehlt bereits jetzt an allen Ecken und Enden an beruflichem Erfahrungswissen und Knowhow. Hier sollten auch Selbstständige einbezogen werden, gerade auch solche, die mangels Unternehmensnachfolge ihren Betrieb schließen müssen, aber viel weiterzugeben haben.



Position 3: Gezieltes Fördern, Leistungsbezug und die Bekämpfung der Schwarzarbeit müssen zusammengedacht werden.


Es ist richtig, wenn die seit Januar geltende Gesetzgebung Brücken aus dem Bezug von Transferleistungen in den Arbeitsmarkt durch Aus- und Weiterbildungen schafft. Diese anzubieten, kann in vielen Einzelfällen der Weg in den regulären Arbeitsmarkt sein, weg von einer „Transferkarriere“ und heraus aus einer persönlichen beruflichen Krisensituation. Jeder und jede verdient eine erste und eine zweite Chance! Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass er sie ergreift. Falls dies nicht geschieht, sollte es den Jobcentern gestattet sein, sie an die Kommunen zu verweisen zur Beschäftigung in ihren Eigenbetrieben, Vollzeit und zum Mindestlohn, auf Kosten der Mittel des Jobcenters. Damit wird Schwarzarbeit bekämpft, was wir im Interesse der erwerbstätigen Bevölkerung, die ihren täglichen Dienst zum Funktionieren des Ganzen leistet, nachdrücklich befürworten.


Für alle Erwerbstätigen, die unser Land am Laufen halten, ist es ein großes Ärgernis, wenn hunderttausende sich dem geregelten Arbeitsmarkt entziehen, Transferleistungen ohne Gegenleistungen beziehen und ihre persönlichen Lebensverhältnisse durch Schwarzarbeit verbessern. So wird der Ehrliche, der teils weniger für sich und seine Familie hat oder nur schwer Verdientes, zum Dummen. Dieser jahrzehntelange Skandal ist nie konsequent bekämpft worden. In Zeiten des Arbeitskräftemangels ist dies aber notwendiger und sozial gebotener denn je. Wer also erwerbsfähig ist und trotz der neuen gesetzlichen Chancen auf Ausbildung und Umschulung nicht am Arbeitsmarkt teilnimmt, dem wird als letztes Mittel die Beschäftigung bei den Kommunen verordnet. Wer sich den Angeboten der Erst- und Zweitausbildung, des Quereinstiegs und der Arbeitsvermittlung verschließt und der kommunalen Beschäftigung durch Krankschreiberei trotz bestehender Erwerbsfähigkeit entzieht, erhält keinerlei öffentlichen Leistungen mehr.

Wer aus dem Nicht-EU-Ausland kommt, muss zudem Deutschland verlassen, wenn sein Lebensunterhalt nicht gesichert ist und von der Sozialgemeinschaft nicht mehr gesichert werden soll. Im Falle deutscher Staatsangehöriger -wir sprechen hier stets von gesundheitlich voll erwerbsfähigen Personen- muss allgemein ein Zusammenhang zwischen der Bezugsdauer von Transferleistungen und der vorherigen Einzahlung in die Sozialsysteme hergestellt werden. Das ist ein anspruchsvoller Systemwechsel, aber ohne diese Konsequenz werden unsere Sozialsysteme nicht bezahlbar bleiben und die gesellschaftlich notwendigen Dienstleistungen nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen.


Dazu noch ein Gedanke, der diesen Systemwechsel verständlicher werden lässt: Wer sieht nicht mit Bewunderung auf die behinderten Menschen, die, mit Anleitung und Förderung natürlich, aber auch mit einer enormen, bewundernswerten Moral, am Arbeitsleben teilnehmen und gerade teilnehmen wollen und auch an Leistungswettbewerben bis hin zu Olympischen Spielen? Sie sind Vorbilder und zeigen, was möglich ist. Vielleicht ist der Sport, besonders natürlich die Mannschaftssportarten, eine von vielen, aber eine besonders gute und bislang unterschätzte Möglichkeit, junge Menschen an den Gedanken von Leistungsbereitschaft und Geben und Nehmen in einer Gemeinschaft heranzuführen. Auch dies sollte auf allen Ebenen gefördert werden, warum nicht auch von der Arbeitsagentur?



Position 4: Zuwanderung aus dem Nicht-EU-Ausland in den Arbeitsmarkt darf es nur gezielt und mit guter Vorbereitung geben.


Wir brauchen Zuwanderung von Fachkräften und in gewissem Maße auch von ungelernten, aber leistungsbereiten Hilfskräften. Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme dagegen muss ausgeschlossen werden, weil sie die erwerbstätige Bevölkerung noch mehr belastet und zurecht nicht mehr akzeptiert wird. Das sehen wir gerade an der ungeregelten Zuwanderung unter Missbrauch des Asylsystems, die wirklich politisch Verfolgten keine Möglichkeit mehr bietet, das Asylrecht des Grundgesetzes in Anspruch zu nehmen, jedenfalls nicht, ohne sich dem gefährlichen System von kriminellen Schleuserbanden zu unterwerfen.


Dabei betrachten wir gut organisierte und vorbereitete Zuwanderung nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit für unsere Gesellschaft, sondern auch als Frage internationaler Gerechtigkeit und als notwendige und gewünschte Alternative zu illegaler und sozial problematischer Einwanderung in unsere Sozialsysteme mit der Gefahr der Untergrabung von Löhnen und Tarifverträgen.


Wir müssen einer politisch ausgehandelten Zahl von Menschen aus Afrika, Südamerika und Asien eine Möglichkeit bieten, bei uns reguläre Beschäftigung zu finden. Dazu sehen wir zwei unterschiedliche Wege:


Zum einen soll es den Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen, in weitem Umfang freigestellt sein, solche im Nicht-EU-Ausland anzuwerben, sofern sie mit der Anwerbung auch alle Verpflichtungen an Versorgung mit Wohnraum, Einkommen und sozialer Absicherung übernehmen. Das mag im Einzelfall anspruchsvoll sein, aber wir glauben, dass insbesondere große Unternehmen diesen Ansprüchen gerecht werden können. Sie verfügen über die entsprechende Leistungsfähigkeit und in der Regel auch über eigene internationale Netzwerke mit entsprechenden Erfahrungen. Lassen wir sie am internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe so unbürokratisch wie möglich teilnehmen. Hier sind gute Bezahlung und Integration in der Regel gewährleistet.


Zum anderen brauchen wir aber auch öffentlich geführte Konzepte für Anwerbung und Integration in den deutschen Arbeitsmarkt, insbesondere auch zugunsten der hunderttausenden mittelständischen Betriebe, die Fach- und Hilfskräfte benötigen. Hier sollte ein Schwerpunkt gesetzt werden für die Bereiche Pflege und Handwerk, denn in diesen Bereichen ist der Mangel an Arbeitskräften bereits jetzt dramatisch.


Das THAMM-Konzept ist ein Beispiel für die richtige Methode: Es setzt auf die Anwerbung von Arbeitskräften aus Marokko, Tunesien und Ägypten für den Gastronomiebereich. Die jungen Menschen werden in ihren Heimatländern auf ihr Leben und ihre Ausbildung in Deutschland vorbereitet. Sie kommen hierher mit einem guten Sprachniveau und integrieren sich nach aller Erfahrung schnell. In ihren Herkunftsländern werden sie von der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) ausgebildet, die auch den Aufenthalt in Deutschland organisiert, wo ihre Arbeitgeber von den Kammern unterstützt werden. Das ist ein zukunftsweisender Weg. So wird jungen Menschen in Ländern, in denen sie keine adäquate Berufsperspektive haben, eine solche in Deutschland eröffnet und können sie später ihre Familien in ihren Herkunftsländern unterstützen. Das ist erfahrungsgemäß die effizienteste Art der Entwicklungshilfe, weil nicht nur persönliche Not gelindert, sondern auch der Aufbau von Kleingeschäften oder Landwirtschaft ermöglicht wird einschließlich des Baus von Eigenheimen für die Familien. Wir sind überzeugt davon, dass die Menschen am besten wissen, was für sie und ihre Herkunftsfamilien gut ist. Mit einer solchen Form der Zuwanderung ist allen gedient: den zuwandernden Menschen mit einer klaren und rechtlich abgesicherten Perspektive, der deutschen Erwerbsgesellschaft und den Gesellschaften der Heimatländer, die auch von dem gewonnenen Knowhow profitieren werden. Solche Programme sollten stark ausgebaut werden. Die Integration muss systematisch in mehreren Schritten erfolgen, dann wird es nur Gewinner geben. Mit einer solchen Zuwanderung werden auch die skeptischen Teile der Bevölkerung gut leben können. Im Kern sind wir davon überzeugt, dass die Gesellschaft um die Notwendigkeit von Zuwanderung weiß und sie dann auch begrüßen wird, wenn die Zugewanderten kommunizieren und sich orientieren können. Dann werden sie nicht unter sich bleiben, sondern eröffnen sich ihnen viele Möglichkeiten der Integration. Das kommt der gesamten Gesellschaft zugute, in dieser Form insbesondere auch der belasteten Erwerbsgesellschaft und denen, die auf verlässliche Hilfe angewiesen sind.



Position 5: Es bedarf besonderer Anreize zur Förderung von Erwerbsarbeit in ländlichen Regionen.


Wir sehen als CDA des Kreises Neuwied und damit eines ländlich geprägten Kreises das besondere Bedürfnis, Erwerbsarbeit auf dem Lande attraktiv zu halten oder wieder attraktiv zu machen. Dafür halten wir zwei Bedingungen für unerlässlich: Zum einen eine flächendeckende, wirklich funktionierende und den Ansprüchen der internationalen Arbeitswelt genügende Netzversorgung, so dass überall auf dem Land digital gearbeitet werden kann. Zum anderen ist uns neben kommunalen Anstrengungen, in den Gemeinden ein gutes Versorgungs- und Freizeitangebot zu halten, ein Anliegen besonders wichtig und erfolgversprechend: Die Unterstützung des Erwerbs von Immobilieneigentum durch junge Familien. Dieser Erwerb ist in den Jahren seit 2010 aus vielen Gründen immer schwieriger geworden. Dies stellt über ganz Deutschland verbreitet ein zunehmendes und ernstes soziales Problem dar, dem wir uns als Interessenvertreter von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch noch gesondert widmen wollen. Denn wir halten es, hier kurz zusammengefasst, für eine dramatische Fehlentwicklung, wenn fleißige, vollzeitarbeitende Menschen keine Perspektive haben, für sich und ihre Familien ein Eigenheim zu erwerben, weil Immobilien einschließlich ihrer energetischen Sanierung zu teuer sind oder ihre Finanzierung unmöglich.


Das Thema hat auch im vorliegenden Zusammenhang eine besondere Relevanz: Wir wollen ja nicht nur eine allgemeine Verbesserung der Erwerbssituation in Deutschland, so wichtig diese auch ist. Aber sie würde im Ergebnis eher den Metropolregionen zugutekommen würde, weil junge Leute und Zugewanderte seit langem vorwiegend dorthin ziehen, wo sie bessere Perspektiven am Arbeitsmarkt und für ihr Alltagsleben sehen. Wir brauchen einen besonderen Ausgleich zu diesem Trend und sehen ihn in einem staatlich geförderten Förderprogramm für Gemeinden unter 10.000 Einwohnern, etwa durch Erlass der Grunderwerbssteuer beim Erwerb eines selbstgenutzten Eigenheims/einer selbstgenutzten Wohnung oder durch einen besonderen Zuschuss bei der energetischen Sanierung des Altbestandes von Häusern auf dem Lande. Diese und andere mögliche Vergünstigungen sollen nicht in erster Linie an das aktuelle Einkommen gebunden sein, sondern an eine längere Ortsverbundenheit und geleistete Anstrengungen bei Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit. Geleistete Arbeit muss sich lohnen beim Erwerb von Eigenheim und Wohneigentum! Zugleich wäre dies eine Chance, den Charakter der ländlichen Ortschaften zu erhalten, weil Vergünstigungen auch mit Vorgaben an die Nutzung des Altbaubestandes und insbesondere des Ortskernes verbunden werden können.


Diese gezielte Unterstützung wird sich auch auszahlen für die Perspektive und Attraktivität der ländlichen Regionen und zur Motivation der in ihnen lebenden erwerbstätigen Bevölkerung und als Mittel gegen den allgemeinen Wohnungsmangel. Ohne entsprechende Maßnahmen wird der Altbestand auf Dauer völlig entwertet, was eine besonders paradoxe Situation schaffen würde in einer Zeit, in der Wohnraum fehlt und die Bevölkerung größer wird. Hier gilt es, vor allem jungen Erwerbstätigen in der Familiengründungsphase ein besonderes Angebot zu machen. Wo sollen die Möglichkeiten für Familienarbeit und Ehrenamt herkommen, wenn eine weitere Überalterung der Landbevölkerung eintritt? Wer kümmert sich um pflegebedürftige Angehörige und Nachbarn, wer leistet Dienst etwa in der Freiwilligen Feuerwehr, wenn es keine Erwerbsarbeit vor Ort gibt?


So hängt alles mit allem zusammen. Genau dieser ganzheitliche Ansatz ist es, der jetzt für die Erwerbsarbeit und den Arbeitsmarkt in Deutschland gebraucht wird.


Neuwied, den 31. Mai 2023


Dr. h. c. Roswitha Gottbehüt, Vorsitzende des Kreisverbandes CDA Neuwied

Norbert Faltin, stellvertretender Vorsitzender

Monika Krautscheid-Bosse, stellvertretende Vorsitzende

Joachim Herudek, Beisitzer

Werner Hammes, Beisitzer

Constantin-Octavian Oana, Beisitzer

Wolfgang von Keitz, Beisitzer

Alfons Mußhoff, Beisitzer

Christoph Menzenbach, Beisitzer

Abdul Maarastawi, Beisitzer

Lothar Radermacher, Beisitzer und Sachbearbeiter

 
 
 

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